Anliegen des Preises ist bis heute eine Bestandsaufnahme zur Glaskunst in Deutschland. Helena Horn führte für GLASHAUS mit Dagmar Ruhlig-Lühnen, Leiterin des Glasmuseums in Immenhausen, das folgende Interview.
HH: Für den Glaspreis 2015 haben sich über 70 Künstler beworben und über 120 Objekte sind ausgestellt. Was ist charakteristisch für die deutsche Glaskunst? Welche Ergebnisse lassen sich 2015
erkennen? Welche Entwicklungen und Trends sind in Deutschland auszumachen?
DRL: Es gibt keinen Trend. Es wird in alle Richtungen gearbeitet, von der Gravur und dem Schliff über Pâte de Verre, Ofenglas, Mixed Media ist alles
vertreten. In diesem Jahr gibt es weniger vor der Lampe gearbeitete Stücke als 2012, dafür mehr Pâte de Verre.“
HH: Der Preis gibt auch jungen Künstlern die Chance, sich zu beteiligen und erste Arbeiten der Öffentlichkeit vorzustellen. Was ist typisch bei den Newcomern?
DRL: Etliche Newcomer haben eine akademische Ausbildung, wie in diesem Jahr besonders vom Institut für Künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz.
HH: In dem Überblick über die aktuelle Glaskunst in Deutschland stehen Vielfalt und Experiment im Fokus. Handwerkliche Präzision und innovativer Gestaltungswille und formale Strenge stehen neben
dem verspielten, mit leichter Hand geschaffenen Entwurf. Worin besteht die Qualität?
DRL: Das Material und seine Beherrschung stehen im Vordergrund. Wie verhält sich das Glas, was kann ich damit machen, wie weit kann ich es ausreizen? Die ästhetische Qualität, die Glas ohne
Zweifel besitzt, wird auch ganz bewusst eingesetzt. Allerdings gibt es auch Objekte, bei denen der freie künstlerische Gedanke, das Thematische und Ästhetische im Vordergrund stehen.“
HH: Wie stellen Sie sich die Zukunft des Preises in Bezug auf die Ausschreibungsbedingungen, die Zusammenstellung der Jury, die Dotierungen der Preise und der Ausstellung vor? Wird es
Veränderungen geben??
DRL: Das Konzept der Ausstellung ist weiterhin schlüssig. Allerdings müssen wir in Zukunft darüber nachdenken, die Anzahl der gezeigten Arbeiten zu reduzieren, d.h. wir werden vielleicht nicht
mehr max. zwei Objekte eines jeden Künstlers zeigen können, sondern nur noch eins. Manchmal könnte ein Objekt etwas mehr Raum gebrauchen. Aber das werden wir in drei Jahren entscheiden, wenn die
Zahl der eingereichten Stücke festliegt.
Die Besucher der Ausstellung können sich an der Wahl des Publikumspreises beteiligen und auch kleine Entdecker können sich auf die Suche nach dem Lieblingsobjekt begeben. – Welche besonderen
Kriterien hat das Publikum? Gab es schon Überraschungen?
DRL: Das Publikum entscheidet schneller als die Jury, eher aus dem Bauch heraus. Die Besucher wählen häufig Objekte, die durch die Wirkung faszinieren oder durch die Art der Herstellung. Sie
fragen sich: Ist das überhaupt Glas? Wie hat man das gemacht? Ist das eine Mühe!
HH: Der Preis gibt einen Überblick über das Glas in Deutschland, auch wenn sich nicht alle Künstler beteiligen. Fragt man, wo Deutschland im internationalen Vergleich steht, scheint hier im
Moment eher das Material, die Technik, das Experiment und der Werkstoff selbst im Mittelpunkt zu stehen, weniger die freie, künstlerische Idee.
DRL: Die ungeheure Fülle und Vielfalt der Arbeiten macht den Reiz der Ausstellung aus.
Das Objekt „let it go, or the start of the journey“ von Rebekka und André Gutgesell aus Lauscha, fällt wegen seiner eindrücklich graphischen Qualität auf. Die Pusteblume steht ebenso für
Vergänglichkeit und für das Loslassen wie auch für den Kreislauf des Lebens. Gutgesell erklärt: "Das Loslassen ist immer nötig, um sich Neuem zuzuwenden! Die Arbeit reflektiert das für die
Entwicklung der Persönlichkeit und das Vorwärtsgehen nötige Abwenden von Bestehendem und die damit verbundenen Emotionen.“
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